Dass man auf Ibiza hervorragend essen kann, ist ein offenes Geheimnis – nicht nur unter den Einheimischen der größeren Pityuseninsel, sondern auch unter den Liebhabern der Delikatessen, die dieses Mittelmeerparadies zu bieten hat. Einen Teil ihres Ruhmes verdankt die hiesige Küche klassischen Gerichten wie roten Gambas, Reisgerichten, dem Fischeintopf bullit de peix, dem Fischgericht borrida de rajada mit Rochen, frittiertem Tintenfisch oder Fisch in Salzlake, peix en salmorra, doch es gibt noch einen weiteren Star auf dem Teller, den man kennen muss, wenn man den man die ibizenkische Kochkunst wirklich begreifen will: die ibizenkische sobrasada-Wurst.
Frisch aus der Glut, während der Abend hereinbricht, an einem Holztisch zusammen mit butifarrón (einer weiteren typischen Wurstspezialität), zusammen mit einem frisch gerösteten, warmen Bauernbrot oder als würzige Zutat in Reisgerichten, zu Tintenfisch oder anderen Schmorgerichten – diese schmackhafte, regionale Wurst gehört zu den beliebtesten Leckerbissen der Insel.
Wer verstehen will, warum sie so beliebt ist, muss sich erst einmal mit der komplizierten Herstellung befassen, bei der viel Können gefragt ist. Die Wurst wird nach Rezepten zubereitet, die von den einheimischen Familien bewahrt und wie ein Schatz von Generation zu Generation weitergegeben werden.
Auf einer Insel, deren Bewohner zu großen Teilen auf dem Land arbeiteten, wurde die sobrasada gewissermaßen aus der Not geboren: Viele Familien schlachteten ihre noch Tiere selbst; eine alte Tradition, bei der Nahrung für ein ganzes Jahr gewonnen wurde. Bei diesem winterlichen Anlass wurde aber auch gefeiert, es gab Musik und die Nachbarn und Freunde halfen einander aus – ein Brauchtum, das noch heute in vielen ibizenkischen Haushalten gepflegt wird.
Da es noch keine Kühlschränke gab, um Nahrungsmittel über die Wintermonate frisch zu halten, entwickelten die Landbewohner eine spezielle Technik der Wurstherstellung aus gewürztem Hackfleisch im eigenen Tierdarm. Auf Ibiza wurde die Wurst in dieser Form erstmals von den Römern hergestellt, gewann dann im Mittelalter an Popularität und hat sich bis heute erhalten.
Von Anfang an wurde die Wurst aus dem Fleisch ibizenkischer Schweine hergestellt, weswegen sie ganz besonders geschätzt wird. Schweine zählten zu den ersten Nutztieren auf den Balearen, die bis heute von einem Dutzend lokaler Züchter noch immer auf dieselbe Art gezüchtet werden. Tatsächlich gibt es sogar eine einheimische Schweinerasse, porc negre („schwarzes Schwein“) genannt, die in den vergangenen zehn Jahren wiederentdeckt wurde, nachdem sie bereits vom Aussterben bedroht war. Sie wird besonders für ihr schmackhaftes Fleisch geschätzt.
Für die Herstellung der authentischen ibizenkischen sobrasada wurden traditionell nur die besten Teile des Tieres verwendet: die Lendenstücke, der Hinterschinken und die Schultern. Nach dem Auslösen vom Knochen wurde das Fleisch fein gehackt und mit exakten Anteilen von Speck, Salz aus den Salinen Ibizas, frisch gemahlenem schwarzen Pfeffer, Paprikagewürz und einem natürlichen Konservierungsstoff aus Rosmarinextrakt mariniert. Danach erfolgte die Reifung im eigenen Schweinsdarm.
Wenn man die Wurst nur einige wenige Tage reifen ließ, erhielt man eine weiche, streichfähige Wurst. Nach mehreren Monaten der Reifung hingegen ist sie fest wie ein Schinken. Letztere Variante wurde traditionell im Sommer angebrochen und in festeren Därmen reifen gelassen. Ihr Geschmack ist intensiver und die Wurst ist härter als die kürze gereifte sobrasada, die häufig als Streichwurst gegessen oder auf dem Grill zubereitet wird. Obwohl beide Sorten in der anfänglichen Zubereitung identisch sind, gilt vor allem die monatelang gereifte Variante im engeren Darm als typisch für die Insel und wird von Gastronomen aller Couleur besonders geschätzt. Je nach Gusto der Wursthersteller oder -liebhaber gibt es auch scharfe Varianten von beiden Sorten.
Die wahren Kenner dieser Spezialität, die das Ergebnis einer jahrhundertealten Liebe zur Heimat, zur Tradition und zur liebevollen Herstellung ist, können sogar einen Unterschied zur mallorquinischen Variante feststellen: Die ibizenkische sobrasada, so sagen sie, sei viel weniger fettig, da auf Ibiza die Schweine allein zum Zweck der Wurstherstellung geschlachtet wurden, während man anderswo auch minderwertigere Teile der Tiere verarbeitete.
Fast scheint es, als wäre die Zeit an den atemberaubenden Steilklippen der Insel stehengeblieben, wenn die einheimischen Erzeuger voller Hingabe und nach uralten Rezepten ihre authentische sobrasada herstellen und so das Brauchtum Ibizas bewahren.
Für die Herstellung dieser Wurst wird nach wie vor ausschließlich das Fleisch einheimischer Tiere verwendet, die mit den hochwertigsten Futtermitteln aufgezogen wurden. Diese Produkte wurden vom Inselrat Consell d‘Eivissa mit dem Gütesiegel „Sobrassada d’Eivissa“ ausgezeichnet, das eine besondere Anerkennung für alle Betriebe darstellt, die nach traditionellen Methoden arbeiten.
Guten Appetit – Bon profit!