Nach Ende der Touristensaison, meist Anfang November, hängen viele touristisch ausgerichtete Geschäfte ein Schild mit der Aufschrift „Wegen Urlaubs geschlossen“ nach draußen. Der Rhythmus der Insel wird jetzt gemächlicher und man hat nun wieder die Muße, die kleinen Freuden und Geheimnisse zu genießen, die in geschäftigeren Zeiten oft übersehen werden: Die Felder nähren sich an den Tautropfen, die bis in die Mittagszeit liegen bleiben und färben sich sattgrün, ein Blumenteppich überzieht die sonst so trockenen Felder (besonders sehenswert ist die Mandelblüte in Sant Mateu und Santa Agnès ab Februar), die Städte schalten einen Gang runter und laden zu einem Spaziergang ein, bei dem man nun allerorts menschenleere Ecken, verlassene Terrassen, Stühle und Tische entdecken kann, das gastronomische Angebot ist eingeschränkter aber erlesener, und man kann nun althergebrachte Geschmacksnoten kosten, die in anderen Regionen Spaniens nur schwer zu finden sind.
Ganz im Zeichen der ländlichen Gegenden, der Ruhe und Idylle steht das Schlachtfest. Diese Tradition wird zu dieser Jahreszeit auf hunderten von Landhöfen gefeiert. An einem harten Arbeitstag helfen alle mit, auch eingeladene Gäste kümmern sich um die Zerteilung der Schweine und die Zubereitung der Wurst- und Pökelwaren, die das ganze Jahr über reichen sollen.
Eine der beliebtesten Wurstsorten, die am Schlachttag hergestellt wird, ist die Sobrasada aus Ibiza. Die Hauptzutat ist mageres Schweinefleisch, hinzu kommen Schwarten, Speck und Paprika. Letztere wirkt antioxidierend und sorgt zugleich für die typische Farbe und den Geschmack der Sobrasada.
Da die fertige Wurst recht grob ist, kann man die Fleisch- und Speckstücke darin noch gut erkennen. Im Gegensatz zu anderen, fettigeren oder feiner gehackten Sobrasada-Sorten wird die Sobrasada aus Ibiza nicht als Aufstrich von Brot benutzt, sondern vielmehr als Belag in Scheiben oder groben Stücken, entweder pur oder – noch leckerer – leicht angegrillt. Die Wurst wird auch als Beilage zu traditionellen Gerichten serviert, vom einfachen Bohneneintopf (bullit de mongetes) bis hin zum festlichen Bauernschmortopf, dem sofrit pagès.
Die Sobrasada mit der Herkunftsbezeichnung SABORS D’EIVISSA wird nach traditioneller Art hergestellt: Das Fleisch stammt von Schweinen, die auf der Insel gezüchtet und hauptsächlich mit Getreide und Johannisbrot gemästet wurden und die Wurst ist sehr grob gehackt. Im Geschäft kann man die echte Sobrasada am Siegel Sabors d’Eivissa erkennen. Produziert wird sie von folgenden ibizenkischen Herstellern: Es Cucó in Sant Agustí, Companatge in Santa Gertrudis, Carnes Juan Viola in Sant Antoni und Can Ros in Sant Jordi.
Der Winter ist außerdem die Jahreszeit der Meeresfrüchte, besonders beliebt sind dabei Calamares sowie molls (Rotbarben), und ein Fisch namens gerret (Schnauzenbrasse), der entweder mariniert oder mit Reis und Blumenkohl serviert wird. Im Garten haben jetzt Süßkartoffeln, Orangen und Avocados Saison, besonders beliebt ist allerdings der traditionelle ibizenkische Kohl, eine große Weißkohlsorte, deren Exemplare oft über 2 kg wiegen und die bei Einbruch der Kälte zwischen Mitte November bis Januar ihre Blätter schließt.
Dieser sogenannte Bauernkohl, der sog. col pagesa, hat im Gegensatz zu anderen handelsüblichen Kohlsorten ein besonders mildes, angenehmes Aroma, sodass man ihn auch roh verzehren kann. Er ist Bestandteil einiger klassischer Wintergerichte, z.B. ossos amb col (“Knochen mit Kohl”). Für dieses Gericht werden typisch winterliche Zutaten aus dem ibizenkischen Garten verwendet, z.B. rote Kartoffeln und Süßkartoffeln, die als Beilage zu den gepökelten Knochen vom Schweineschlachtfest serviert werden. Der Kohl ist auch traditionell die Hauptzutat des Wintersalates. Hierfür wird er sehr fein geschnitten oder gehobelt, als Krautsalat angemacht und beim Schlachtfest als geschmacklicher Gegenpol zu den anderen Gerichten gereicht.
Wie viele andere Gemüsesorten besteht auch der Kohl zu 92% aus Wasser und hat dementsprechend einen niedrigen Kaloriengehalt. Dafür ist er sehr reich an Ballaststoffen, Vitaminen, Mineralstoffen, Senfölglykosiden und sekundären Pflanzenstoffen wie Flavonoiden. Damit liefert uns der Kohl wichtige Bausteine für eine gesunde Ernährung.
Es gibt viele Gründe, die Ibiza im Winter zu etwas Besonderem machen – und einer davon sind die Gaumenfreuden und die traditionelle Küche.