Diese Höhle befindet sich etwa in 150 m Höhe auf einer Finca von Can Quintals, nur wenige Kilometer von der Bucht von Sant Vicent entfernt. Es Culleram wurde 1907 bei archäologischen Ausgrabungen entdeckt. Im selben Jahr organisierte die Archäologische Gesellschaft Ebusitana hier ein großangelegtes Ausgrabungsprojekt, das zu einer Vielzahl von Entdeckungen führte, wie Terrakottafiguren (etwa 600 vollständige und über eintausend Köpfe von fragmentierten Figuren). Daneben fanden sich andere Funde, wie z. B. ein Löwe aus Knochen oder Elfenbein. Aber eines der wichtigsten Funde war eine Scheibe mit doppelseitiger punischer Inschrift, die zufällig 1917 gefunden wurde und heute im Archäologischen Museum in Alicante ausgestellt ist.
Auf der älteren Seite steht:
Dem Herrn / a Resef-Melkart / dieses Heiligtum, wurde gewidmet ’s’dr / Sohn von Ya’as ay / Sohn von brgd / Sohn von Eshmunhilles (Al señor, a Resef-Melkart, este santuario que ha dedicado ’s’dr, hijo de Ya’as ay, hijo de brgd, hijo de Eshmunhilles.).
Und auf der anderen Seite die jüngere Inschrift:
Diese Mauer errichtet, gewidmet und verstärkt aus gemeißeltem Stein hat Abdeshmun / Sohn von Azarbaal / der Priester / für unsere Herrin / für Tanit der Mächtigen und für Gad / in seinem Namen (Ha hecho dedicado y reparado este muro de piedra tallada Abdeshmun, hijo de Azarbaal, el sacerdote, para nuestra Señora, para Tanit la poderosa y para Gad, por su cuenta.).
Bis zum Jahr 1981 war diese bedeutende Siedlung immer wieder Gegenstand verschiedenartiger archäologischer Interventionen, darunter leider auch einige geheime Aktionen. Derzeit ist sie Eigentum der Behörden von Ibiza. Ein großer eingestürzter Teil von Steinblöcken des ersten natürlichen Hohlraums, dessen kompletter Zusammensturz das Denkmal endgültig zu zerstören drohte, wurde von der Inhaberinstitution verstärkt.
Neben der Nutzung zu prähistorischen Zeiten, als die Höhle wahrscheinlich als Wohnstätte für Menschen der Bronzezeit gedient hatte (nicht jedoch zur phönizisch-punischen Zeit), wurde die Höhle im 5. Jhd. v. Chr. zum Heiligtum, das zunächst Resef-Melkart gewidmet war und danach, im 3. oder 2. Jhd., der Göttin Tanit.
In der Spätzeit wurden offensichtlich mehrere artifizielle Veränderungen vorgenommen, von denen Teile eines künstlichen Raumes erhalten geblieben sind, der eine in den Felsen gemeißelte Rückwand aufweist und ein typisch punisches Wasserdepot seitlich im Boden.
Das Heiligtum befand sich in einer großen natürlich entstandenen Grotte, die vom Wasserfluss in verschiedenen Räume unterteilt worden ist, insbesondere zwei, die durch einen Stalaktiten-Vorhang unterteilt wurden. Zudem sind die erwähnten künstlichen Zeichnungen am Eingang zu sehen.
Anhand der Informationen, die durch die ersten Ausgrabungen geliefert und vor kurzem ausgewertet wurden, ist es denkbar, dass die tieferliegenden Hohlräume eine Art heilige Depots (botrhos) gewesen sind, in denen die Überreste der Opfergaben gelagert wurden. Dies zeigte sich anhand der göttlichen Figuren, die in sehr hoher Anzahl Tanitbüsten mit einem geflügelten Schal darstellen, der Reste zahlreicher Opfertiere sowie anderer Gegenstände. Die Riten wurden unter dem Gebrauch von Feuer abgehalten und mussten entweder vor der Höhle oder im Eingangsbereich des Heiligtums abgehalten werden.
Zur gleichen Zeit, als die mit den Funden verifizierten Praktiken im Tempel Des Culleram abgehalten wurden, war die Gegend stark bevölkert und es ist offensichtlich, dass diese Menschen direkt an den Kultpraktiken beteiligt gewesen sein mussten. Dennoch musste es sich gleichzeitig um ein „internationales“ Heiligtum gehandelt haben, da es über den Hafen von Sa Cala sehr gut mit dem Meer verbunden war. Im späten zweiten Jhd. v. Chr. wurde der Tempel, zumindest in seiner Form als Organisation, fast vollständig aufgegeben. Es ist möglich, dass der Einsturz des ersten großen Raumes der Höhle der Grund für das Ende der Kultpraktiken in dem punischen Heiligtum von Es Culleram gewesen ist.
Dirección: Sant Vicent de sa Cala